Für meinen Auftritt mit der Dicken in Bad Nauheim bekam ich im Vorfeld schon eine fette Presse!
Reporterin zu Besuch in Halle
Anfang Januar rief mich eine Voluntärin der Wetterauer Zeitung an und fragte mich, ob sie über mich und meine Figur ‚Die Dicke‘ eine Reportage schreiben könne. Ich freute mich und willigte ein. Eine Woche später holte ich Sabrina Dämon am halleschen Bahnhof ab und wir spazierten zu mir nach Hause.
Bei Tee und Keksen erzählte ich ihr, wie ich zu meinen beiden Berufen gekommen bin und was ich jetzt damit machen möchte. Etwa zwei Stunden später schlüpfte ich in ‚Die Dicke‘ und wir begaben uns zu dritt in die hallesche Innenstadt, um die Hallenser mit meiner Kunstfigur zu konfrontieren.
Im Anschluss an den Walkact werteten wir die Reaktionen der Passanten aus und ich erzählte ‚Anekdoten‘ aus vergangenen Walkacts. Zum Abschluss schaute sich Sabrina noch meine kleine Werkstatt und ich zeigte ihr andere Puppen, die ich bisher gebaut habe und die aktuell in Arbeit sind.
Sieben Stunden haben wir miteinander verbracht und ich muss sagen, es war sehr angenehm – ganz anders als ich mir das vorgestellt habe.
Zwei Ankündigungen vor meinem Auftritt in Bad Nauheim
Am Donnerstag, 30. Januar erschien das Freizeitmagazin ’streifzug‘ als Beilage in der Wetterauer Zeitung. Auf den Seiten 4 bis 7 die Reportage ‚Sieh mich an!‘ von Sabrina Dämon.
Ekel? Mitleid? Oder eher Berührungsangst? Meistens begegnen ihr die Menschen mit Abscheu, sagt Julia Raab. Sie trägt zwar eine Maske, das wird aber erst beim zweiten Blick
deutlich. »Den gibt es nur selten.« Die 31-Jährige hat zum Abschluss ihres Figurentheater-Studiums eine Figur entwickelt, die weder ein Zuhause, noch einen Namen hat. Sie ist einfach die Dicke. Mit Kissen ausgestopft, in lumpigen Klamotten und mit strähnigen Haaren läuft Julia durch die Stadt, konfrontiert ihre Mitmenschen mit der monströsen, ungepflegten Frau. Der streifzug hat Julia, die in der Wetterau aufgewachsen ist, in ihrer neuen Heimatstadt Halle besucht und ist mit der Dicken durch die Straßen gezogen. […]
Wetterauer Zeitung, streifzug, 7. Jahrgang, Februar 2014, Sabrina Dämon
Am Tag meines Auftritts war dann noch der Artikel „Randfigur der Gesellschaft“ in der Zeitung. Diese massive Ankündigungswelle spürte ich, als ich am Vormittag in der Innenstadt Bad Nauheims meine Zuschauer traf. Alle wussten sie über meine Kunst bescheid und wollten ausgerechnet mir dies mitteilen. Darauf zu reagieren ist allerdings nicht so einfach, wenn man im Kostüm einer stummen Maskenfigur steckt, die die sich schnell eingeengt fühlt, wenn man ihr zu nah kommt.
Es gab allerdings auch wieder sehr amüsante Begegnungen.
Auf der TAF-Bühne im Badehaus 2
Abends war dann die Vorstellung im ausverkauften Badehaus.
Ich habe gerechnet, dass ich vor 12 Jahren das letzte Mal auf dieser Bühne stand. Damals als TAF-Mitglied in dem Stück ‚Gefährliche Liebschaften‘ als Cécile de Volanges. Es hat sich nicht viel verändert und ich habe mich an das ein oder andere in diesen Räumlichkeiten positiv erinnert.
Es war eine schöne und gute Vorstellung und ein angenehmes Publikum. Herzlichen Dank an das Team vom TAF!
Kritik nach der Aufführung
Eine Viertelstunde nach meiner Vorstellung wurde ein Nachgespräch mit dem Publikum angeboten, indem ich Fragen der Zuschauer beantwortete.
Im Publikum saß, was ich erst im Nachhinein registrierte, eine mir unbekannte Journalistin der Wetterauer Zeitung. Demzufolge erschien ein paar Tage später noch eine Kritik meiner Arbeit in der Zeitung.
Die Obdachlose als Medea
Julia Raab ist „Die Dicke“ und schlüpft in die Rolle eines liebenswerten, tragischen Opfers
[…]wie passen eine Obdachlose Dicke aus dem Nirgendwo und die Königstochter aus Kolchis zusammen? Auf einmal packt die Dicke aus ihrem Fundus nach langen Zögern ein silbernes mit Pailetten besetztes Kleid aus. Sauber und unverschlissen. Sie bewahrt es wie einen Schatz auf. Ist es ein Teil wohlhabenden und glücklichen Vergangenheit? […]
Auch die klassische Medea wird zu einer Rechtlosen und Verstoßenen nachdem sie betrogen und verraten wurde. Sie rächt sich bitter und mit böser List. […]
Folgt die Geschichte einem archaischen Muster, das sich ewig wiederholt? Kein schöner Gedanke. Am Ende bleibt die Dicke trotz der blutigen Geschichte ein liebenswertes, tragikomisches Opfer, dem man Hinterlist und Mord nicht zutraut.
Julia Raab ist es mit ihrer Dicken gelungen, ein gleichermaßen ironisches, melancholisches, gar deprimierendes Stück aufzuführen, ohne die Zuschauer der Wehklage und Seelenpein der mythischen Medea auzusetzen. Das Publikum dankte es ihr mit anhaltendem Beifall – das Badehaus war mit Leben gefüllt.
Julia Raab brachte ihre Reise zurück in die Vergangenheit sehr passend rüber. Reelle Zeitzeugen, umgewandelt in die Figuren der Personen, die ihr trauriges oder schönes Schicksal in dem Staat verkörpern, machte das Stück zu etwas Einzigartigem. […]
Marvin, Schüler, KGS „Wilhelm von Humboldt“ Halle (Saale), 2021